Horex Regina
In Maschinen
Erstellt am: 14. Jan. 2021
Von Manfred Goschler
Ein halbes Leben mit einer Königin
Blickt man in einem zeitlichen Bogen von heute auf die Anfänge des Motorrades zurück, die man mit dem Daimler-Reiterwagen 1885 verbinden kann (Link), so sticht in der Mitte dieses Zeitbogens, Anfang der 50iger Jahre, die Marke Horex mit ihrem Modell Regina, lateinisch Königin, heraus.
Diese Maschine setzte damals technische, optische und akustische Akzente und war für viele Motorradfahrer in dieser Zeit eine Traummaschine und blieb es auch für viele, weil der Traum wegen des hohen Anschaffungspreises nicht verwirklicht werden konnte (2835 DM ohne Beiwagen!).
Die Verkaufszahlen der Regina wuchsen damals rasch und schon 1952 war sie mit über 20000 Maschinen das weltweit meistverkaufte Motorrad der 350ccm Klasse. Über dieses Motorrad wurde viel geschrieben, damals oft noch in einem Stil, der heute amüsieren kann.
So schrieb die Zeitschrift „Das Motorrad“, Heft 22 von 1950 in einem Testbericht zum Thema Geräusch: „Krach: Tja, also Kinder, das Ding ist objektiv laut! Zugegeben, ausnahmslos alle Regina-Besitzer, die ich noch vorsichtig wegen des Krachs antippte, drehten sofort verzückt die Augen nach oben, daß man bloß noch das Weiße drin sah, spitzten die Lippen, so wie jemand mit Daumen und Zeigefinger die Zartheit eines Filetsteaks zu rühmen weiß, und sagten: S o o o ‚n Ton!“.
Tja, diese Sprache hat mehr zu sagen, als nackte Fakten und ich muss zugeben, dass einige dieser Beiträge mich beeinflusst haben, wenn es im Folgenden um meine Horex Geschichte geht.
Wir sehen uns seit Dezember letzten Jahres jeden Tag, ich habe sie in meinen kleinen Kellerraum aufgenommen. Hier ist es wärmer als im ungeheizten Vorraum. Ich hoffe sie fühlt sich hier wohl.
Diese Geschichte hat 1984 begonnen, als ich eine Anzeige über den Verkauf einer Horex Regina in Berlin sah. Vieles an dieser Maschine war nicht mehr original, das Motorrad war weder fahrbereit noch lief der Motor. Ich glaube es war dann der bullige Einzylinder zusammen mit vielen Ersatzteilen, denen mein Sammlerherz nicht wiederstehen konnte.
Die Marke Horex mit der Regina war mir schon seit meiner Jugend bekannt. Die Einfachheit dieser Maschine, die „Optik“ wie man damals zu sagen pflegte und das kernige Motorgeräusch gefielen. Obwohl ich bis zu diesem Zeitpunkt schon wesentlich leistungsfähigere Maschinen hatte, sowohl für die Straße als auch für das Gelände, sollte diese Maschine als zeitloses Cruiser Bike eingesetzt werden und damit meine bisherigen Erfahrungen abrunden. Da ich zu dieser Zeit aber in einer Großstadtwohnung mit wenig Platz und ohne Werkstatt oder Garage lebte, musste sie erst einige Jahre zwischengelagert werden und noch zweimal umziehen, bevor sie 2005 zusammengebaut wurde.
Dabei war insbesondere der Motor mit seinem Getriebe eine besondere Herausforderung, da es galt, die komplett zerlegten Komponenten wie in einem großen Puzzle zusammenzufügen. Nichtdestotrotz gelang der Zusammenbau ohne fremde Zuhilfenahme, der Motor konnte nach einigen, zum Teil sehr schmerzhaften Rückschlägen des Kickstarters, gestartet werden und sogar einige Meter mit der Regina gefahren werden. Immerhin!
Dazwischen machte die Comicfigur Werner die Marke Horex wieder populärer. Vielleicht nicht im Sinne eines Puristen, der eher eine originalgetreue Restaurierung eines Oldtimers im Sinn hat, sondern eines kreativen Konstrukteurs, dem es wichtig ist aus einem Oldtimer etwas Neues zu schaffen, und dabei auch technische und optische Änderungen zulässt.
Zurück zu meinem Motorrad. Nach dem Zusammenbau hätte die Regina eigentlich in eine strassentaugliche Form gebracht werden müssen, aber es kam mit dem Fahrradfahren ein neues Hobby hinzu, das die Regina in meiner Prioritätenliste degradierte. Aber es gab auch weitere Gründe: Es hätte noch einen größeren Aufwand bedeutet, diese Maschine technisch und optisch so „in Form“ zu bringen, wie ich mir das vorstellte.
Meine Regina gehört nicht zur ersten Baureihe und hat einen etwas größeren, sogenannten Büffeltank und einem längeren Radstand im Vergleich zur Regina 0, die einen etwas kleineren Tank (Flachtank) und flachere Schutzbleche hatte. Dann die Geräuschfrage: Dieses Modell ist mit einem „modernen“ Einport Zylinderkopf aus Aluminium ausgestattet, der zwar leistungsstärker und hitzeunempfindlicher im Vergleich zu den älteren Grauguss Zylinderköpfen ist, aber nicht den kernigen Sound älterer Reginas hat.
Weil der Aufbau einer Maschine mit viel fehlenden Teilen schwierig ist, Ersatzteile rar und teuer sind, hätte ich beinahe eine fahrbereite Regina 0 dazugekauft. Ein entsprechendes Angebot hat mich in der Nähe von Bad Homburg gelockt, wo eine ganze Sammlung fahrbereiter und gut restaurierter Regina, Resident und Imperatormodellen zum Verkauf angeboten wurden. Die Regina 0 fiel mir dabei zwar ins Auge, aber eine umgebaute Horex Resident mit Imperatormotor und Beiwagen hat ihr dann doch die Show gestohlen und mich vom Kauf der Regina 0 abgehalten. Diese Maschine war, wie mir der Besitzer versicherte, nicht nur damals Mitte der 50er Jahre auf der Höhe der Zeit, sondern konnte auch heute noch (relativ) gut im Alltagsbetrieb bewegt werden. Ich glaubte ihm, aber ich musste leider aus Platz und Budgetgründen auf den Kauf dieser Maschine verzichten.
Im Übrigen hat diese Maschine im nächsten Jahr einen runden Geburtstag, sie wird 70 Jahre alt, vielleicht wäre das ein guter Zeitpunkt sich wieder stärker um sie zu kümmern. Aber vielleicht auch mit einem zweiten Regina 0 Rahmen, der noch im Keller steht und zum Basteln lockt.
Wir werden sehen. Es gibt jedenfalls weiterhin keine Eile und das ist auch gut so.